Eine Sage Erzählt vom Küster der -- Kirche zu *** |
Ihr möchtet also, daß ich euch noch mehr vom Großvater erzähle? -- |
Meinetwegen. Warum soll ich euch nicht mit einer Schnurre einen Spaß machen? |
O ihr Tage der Vergangenheit! |
Welche Freude und Lust überkommt doch das Herz, wenn man vernimmt, was vor langer, langer Zeit einmal in der Welt geschah, und niemand weiß mehr Jahr noch Tag. |
Und wenn erst so ein Alter aus unserer Verwandtschaft mit im Spiel ist, irgendein Großvater oder ein Urgroßvater, -- dann ist's ganz um mich geschehen: Ich will beim Lobsingen auf die heilige Märtyrerin Barbara den Schlucken kriegen, wenn es mir nicht immer so vorkommt, als ob ich das alles selbst durchgemacht hätte: gerad als wenn ich in des Großvaters Seele hineingekrochen wäre, oder als wenn die Seele des Großvaters in mir selbst rumorte..... |
Nein, aber am ärgsten sind die Mädels und die jungen Weiber dahinter her; kaum erblicken sie einen, gleich heißt es: »Foma Grigorjewitsch, Foma Grigorjewitsch! |
Schnell ein Märchen recht zum Gruseln, bitte, bitte, ein Märchen zum Gruseln.....! |
Taratata -- taratata! Und los geht es..... |
Warum sollt man ihnen auch nicht ein Märchen erzählen, aber paßt mal auf, was nachher mit ihnen im Bett geschieht. |
Ich weiß doch, daß jede unter der Decke zittert, als wenn sie das Fieber hätte, und am liebsten den Kopf unter den Pelz stecken möchte. |
Da braucht nur eine Ratte an einem Topf zu scharren, oder sie gerät selbst mit dem Fuß an den Feuerhaken, Gott bewahre, -- gleich fliegt die Seele bis in die Strümpfe. |
Am anderen Tage aber ist alles vergessen; und sie drängen einen von neuem: man soll ihnen doch nur ein recht grusliges Märchen erzählen! |
Was soll ich euch nun erzählen? |
Es fällt mir gerade nichts ein..... |
Ach ja, ich will euch das erzählen, wie die Hexen mit meinem seligen Großvater Schafskopf gespielt haben. |
Aber darum muß ich im Voraus bitten, meine Herren, bringt mich nicht aus dem Geleis, sonst giebt's so einen Brei, daß man sich schämen muß, ihn ins Maul zu nehmen. |
Also mein seliger Großvater war, wie ich euch bemerken muß, durchaus nicht einer von den gewöhnlichen Kosaken. |
Der verstand's, auf jeden Topf seinen Deckel zu setzen. |
An Feiertagen konnte er seine Apostel so herunterschnurren, daß sich auch jetzt noch mancher Popensohn vor ihm verstecken könnte. |
Na, und das wißt ihr ja selbst, wenn man in der damaligen Zeit die Schriftkundigen aus ganz Baturin zusammentrommeln wollte, da brauchte man nicht erst die Mützen bereitzuhalten, -- die offene Hand hätte schon vollständig genügt. |
Was Wunder, daß jeder, der am Großvater vorüberging, sich tief vor ihm verneigte. |
Eines Tages fiel es dem hochwohlgeborenen Herrn Hetman ein, aus irgendeinem Grunde ein Schreiben an die Zarin zu senden. |
Der damalige Regimentsschreiber (daß dich der Geier hole, ich kann mich nicht auf seinen Namen besinnen..... |
hieß er Wisrjak oder Motusotschka oder Goloputzek..... |
ich weiß nur, daß er einen sehr komischen Namen hatte, der ganz absonderlich anfing) er ließ also den Großvater zu sich kommen und sagte ihm: so und so, der Hetman wolle ihn als Kurier mit einem Briefe zu der Zarin senden. |
Mein Großvater liebte die langen Vorbereitungen nicht, nähte den Brief in die Mütze ein, führte sein Pferd aus dem Stall, schmatzte seine Frau und seine zwei Ferkelchen (wie er sie selbst nannte) -- einer von ihnen war mein leiblicher Vater -- ordentlich ab, und hinter ihm erhob sich eine solche Staubwolke, als ob fünfzehn Jungen auf der Straße Schlagball spielten. |
Am andern Tage hatte der Hahn noch nicht zum vierten Male gekräht, als der Großvater schon in Konotop war. |
Dort war gerade Jahrmarkt; und es wimmelten so viel Leute auf den Straßen herum, daß es einem vor den Augen flimmerte. |
Weil es aber noch früh am Morgen war, so schlief alles lang hingestreckt auf der Erde. |
Neben einer Kuh lag ein versoffener Kerl mit einer roten Nase, der wie ein Gimpel aussah; etwas weiter schnarchte eine Händlerin im Sitzen mit Feuersteinen, Waschblau, Schrot und Brezeln; unter einem Wagen lag ein Zigeuner; auf einem andern Wagen mit Fischen ein Frachtfuhrmann, mitten auf dem Wege lag mit gespreizten Beinen ein bärtiger Moskowiter mit Gürteln und Däumlingen..... |
mit einem Wort: allerhand Pack, wie man's auf den Jahrmärkten trifft. |
Der Großvater machte Halt, um sich's anzusehen. |
Unterdessen aber wurde es nach und nach in den Buden lebendig: die Judenweiber begannen mit ihren Flaschen zu klappern; der Rauch stieg hie und da in Ringen empor, und ein Duft von heißen Buchteln zog übers ganze Lager. |
Da fiel es dem Großvater ein, daß er weder Zunder noch Tabak vorrätig hatte, und so fing er denn an, auf dem Jahrmarkt herumzustreichen. |
Er hatte noch keine zwanzig Schritt gemacht, da kommt ihm ein Saporoger entgegen. |
Ein Draufgänger, man sieht's ihm schon am Gesicht an! |
Glutrote Pluderhosen, ein blauer Schupan, ein grellbunter Gürtel, ein Säbel an der Seite und 'ne Pfeife mit einer Messingkette, die bis zu den Fersen reicht -- mit einem Wort, ein Saporoger vom Kopf bis zu den Füßen! |
Ist das ein Völkchen! |
Wie der so dasteht, sich reckt, sich den prächtigen Schnurrbart streicht, mit den Hufeisen klirrt -- und dann loslegt! |
Ja, sag' ich euch, wie der loslegt: Die Beine schwirren nur so hin und her wie eine Spindel in Weiberhänden; wie ein Wirbelwind saust seine Hand über alle Saiten der Harfe, er stemmt sie in die Hüften, schnellt in Kniebeugestellung die Beine von sich und stimmt ein jauchzendes Lied an -- daß einem die Seele erzittert!..... |
Ja diese Zeiten sind vorbei; jetzt gibt's keine Saporoger mehr! Ja, ja. |
Sie trafen sich also, machten Bekanntschaft, begannen miteinander zu schwatzen, und der Großvater hatte bald seine Reise vergessen. |
Es ging ein Saufen an wie auf 'ner Hochzeit vor den großen Fasten. |
Endlich aber kriegten sie's satt, Töpfe zu zerschmeißen und Geld unters Volk zu werfen, und dann kann man ja auch nicht ewig auf dem Jahrmarkt bleiben! |
So verabredeten sich denn die neuen Freunde, sie wollten sich nicht mehr trennen und den Weg zusammen zurücklegen. |
Es war schon gegen Abend, als sie sich aufmachten und ins freie Feld hinausritten, die Sonne war schon zur Ruhe gegangen und nur hie und da flammten dort, wo sie noch vor kurzem gestanden hatte, ein paar rötliche Streifen auf. |
Bunte Saatwiesen lagen ausgestreut da wie die Sonntagstücher schwarzbrauiger, junger Frauen. Unsern Saporoger packte ein schrecklicher Drang zum Schwatzen. |
Mein Großvater und noch ein anderer Kumpan, der sich zu ihnen gesellt hatte, fragten sich schon, ob er nicht vom Teufel besessen sei: Wo hatte er bloß all das Zeug her, all diese Geschichten und Mären so verwunderlicher Art, daß der Großvater sich die Seiten halten mußte, um nicht vor Lachen zu platzen. |
In der Steppe aber ward es immer düsterer, je weiter man kam, und die Reden des Braven wurden immer unzusammenhängender. |
Endlich aber verstummte unser Erzähler und fing beim leisesten Geräusch an zu zittern. |
»Hoho, Landsmann! |
Du scheinst mir die Eulen zu zählen! |
Du möchtest wohl heim, hinter den Ofen? |
»Ich will nichts vor euch verbergen,« sprach er, sich auf einmal umwendend, und seine Augen blickten starr. » |
»Wißt ihr, daß ich meine Seele schon lange an den Bösen verkauft habe? |
»Ei potztausend! Wer hat nicht schon mit dem Bösen zu tun gehabt? |
In solchen Fällen ist's das Beste, man ist lustig und geht lumpen. |
»O je, Jungens, lumpen möcht ich schon gern, aber heut ist mein Termin! |
O je, Brüder!« sprach er und schüttelte ihnen kräftig die Hände. » |
»O je, gebt mich nicht preis, schlaft nur diese eine Nacht nicht! |
Mein Lebtage will ich eure Freundschaft nicht vergessen! |
Warum sollte man einem Menschen in so einem Unglück nicht beistehen? |
Der Großvater erklärte glattweg, er würde sich eher sein Kosakenhaar vom eignen Kopf scheren, als den Teufel mit seiner Hundeschnauze eine christliche Seele beschnüffeln lassen. |
Unsere Kosaken wären vielleicht noch weiter geritten, wenn nicht die Nacht den ganzen Himmel umwoben hätte, wie ein schwarzes dichtes Netz; im Feld war es so dunkel geworden wie unter einem Schafspelz. |
Nur von ferne blinkte ihnen ein Lichtschein entgegen, und die Pferde, die die nahe Krippe ahnten, sputeten sich, und starrten mit gespitzten Ohren in die Finsternis. |
Der Lichtschein schien ihnen entgegen zu eilen, und vor den Kosaken tauchte eine Schänke auf, die ganz morsch und auf die Seite geneigt war, wie ein Frauenzimmer, das von einer fröhlichen Taufe heimgeht. |
Zu jener Zeit war eine Schänke etwas ganz anderes wie heutzutage. |
Nicht nur, daß man nicht ordentlich losgehen und drinnen kein Tänzchen oder 'nen Hopser machen konnte, es gab nicht einmal Platz genug zum Hinlegen, wenn einen ein Rausch überkommen hatte, und die Füße von selbst anfingen, Zeichen in die Luft zu schreiben. |
Der Hof war mit Frachtfuhren vollgepfropft; in den Scheuern und den Krippen und auf dem Flur lagen Leute: der eine zusammengekrümmt, ein anderer lang ausgestreckt, und schnarchten wie die Kater. |
Nur der Wirt saß vorm Lämpchen und schnitt Kerben in einen Stock, um sich's zu merken, wieviel Viertel und Achtel die Fuhrleute ausgepfiffen hätten. |
Der Großvater bestellte ein drittel Eimer für drei Mann, ging in die Scheune, und alle drei legten sich nebeneinander nieder. |
Kaum aber hatte er sich auf die Seite gelegt, als er merkte, daß seine Landsleute schon in einen wahren Totenschlaf versunken waren. |
Der Großvater weckte den dritten Kosaken, der zu ihnen gestoßen war, und erinnerte ihn an das Versprechen, das sie ihrem Kameraden gegeben hatten. |
Jener richtete sich ein wenig auf, rieb sich die Augen und schlief wieder ein. |
Es war nichts zu machen, er mußte also allein Wache halten. |
Um den Schlaf zu verscheuchen, besah er sich alle Wagen, beguckte die Pferde, steckte sich eine Pfeife an, kam wieder zurück und setzte sich neben die Seinen. |
Alles war so still, daß man eine Fliege hätte hören können. |
Auf einmal war es ihm, als wenn ihm ganz in der Nähe, hinter einem Wagen, etwas Graues die Hörner zeigte..... |
Seine Augen begannen zuzufallen, und er mußte sie jeden Augenblick mit den Fäusten wach reiben und mit dem Rest vom Schnapse waschen. |
Kaum aber konnten sie wieder scharf blicken, da war alles wieder verschwunden. |
Nach einer kleinen Weile zeigte sich das Ungetüm von neuem hinterm Wagen..... |
Der Großvater riß die Augen auf, so weit er konnte; aber die verdammte Schlaftrunkenheit umnebelte alles vor ihm, seine Hände wurden steif, der Kopf sank hintenüber, und ein fester Schlaf übermannte ihn, so daß er hinfiel wie ein Toter. |
Der Großvater mußte wohl recht lange geschlafen haben, denn erst als die Sonne ihm tüchtig auf den Schädel brannte, sprang er auf die Beine. |
Er räkelte sich, kratzte sich den Rücken und merkte, daß schon nicht mehr so viele Wagen dastanden wie gestern. |
Die Fuhrleute waren also bereits vor Tagesanbruch davon gefahren. |
Was jedoch seine Leute anging, so schlief der Kosak noch, der Saporoger aber war weg. |
Er fragte herum, aber niemand wußte was. Nur sein Kittel lag noch auf demselben Platze. |
Mein Großvater wurde von Angst ergriffen und fing an zu grübeln. |
Er sah nach den Pferden -- sie waren fort, sowohl seins, wie das des Saporogers! |
Was hatte das zu bedeuten? |
Gesetzt, der Gottseibeiuns hatte den Saporoger geholt, wer aber hatte die Pferde mitgenommen? |
Nach reiflicher Überlegung kam der Großvater zum Schluß, daß der Teufel sicherlich zu Fuß herbeigelaufen sei; und da es gar weit bis zur Hölle wäre, hatte er das Pferd gestohlen. |
Es schmerzte ihn sehr, daß er sein Kosakenwort nicht gehalten hatte. » |
»Nun,« dachte er, »da ist nichts zu machen. Ich gehe zu Fuß; am Ende treff' ich unterwegs einen Pferdehändler, der vom Jahrmarkt zurückkehrt, und dann kaufe ich mir bei dem ein Pferd. |
Wie er aber nach der Mütze griff, war auch die Mütze fort. |
Da schlug mein seliger Großvater die Hände überm Kopf zusammen, denn er erinnerte sich, daß er ja gestern mit dem Saporoger die Mützen getauscht hatte! |
Wer konnte also wohl sonst der Dieb sein, wenn nicht der Unreine! |
Na, das war eine schöne Hetmans-Post! |
Da hatte er den Brief an die Zarin! |
Und der Großvater begann den Teufel mit solchen Namen zu traktieren, daß es dem in seiner Hölle wohl mehr als einmal in den Ohren klingen mochte. |
Aber alles Schimpfen hilft wenig, und so viel sich der Großvater auch den Kopf kratzte, es wollte ihm nichts einfallen. |
Was war da zu tun? |
Er suchte sich also eilig einen fremden Verstand zu borgen: sammelte all die guten Leute, die in der Schänke waren, die Fuhrleute und die anderen Reisenden, um sich und erzählte ihnen alles: so und so, und dies Malheur sei ihm geschehen. |
Die Fuhrleute saßen lange, das Kinn auf den Peitschenstiel gestützt, da, sannen nach, schüttelten die Köpfe und meinten, von so einem Wunder hätten sie wahrhaftig in Gottes getaufter Welt noch nie vernommen, daß ein Hetmans-Brief vom Teufel geholt worden sei. |
Andere fügten noch hinzu, wenn der Teufel oder ein Moskowiter etwas stibitzten, dann könne man hinterher nur noch drei Kreuze machen. |
Der Schankwirt allein saß schweigend in seinem Winkel. |
Der Großvater machte sich an ihn heran. |
Wenn ein Mensch schweigt, so bedeutet das, er hat's dick hinter den Ohren. |
Aber der Wirt war sehr wortkarg, und hätte der Großvater nicht fünf Gulden aus der Tasche geholt, so hätte er bis an sein Lebensende vor ihm stehen können. |
»Ich will's dir sagen, wie du wieder zu deinem Briefe kommen kannst,« sprach er endlich und führte ihn auf die Seite. |
Dem Großvater wurde bedeutend leichter ums Herz. » |
»Ich sehe dir's an deinen Augen an, daß du kein Weib bist, Kosak! |
Gib acht: unweit von der Schänke führt ein Pfad rechts nach dem Walde. |
Sobald die Dämmerung sich über's Feld senkt, sei bereit. |
Im Walde da leben Zigeuner. Die kommen dann in solchen Nächten, wo sich keine Menschenseele zeigt, und nur die Hexen auf ihren Ofengabeln reiten, aus ihren Höhlen gekrochen, um Eisen zu schmieden. |
Was sie aber in Wahrheit treiben und womit sie handeln, das braucht dich nicht zu kümmern. |
Da wird's im Wald ein gewaltiges Getöse geben. Aber geh du nicht dahin, woher der Lärm kommt; ein enger Pfad wird vor dir liegen, der an einem verkohlten Baumstamm vorbeiführt: auf diesem Wege geh' weiter und immer weiter..... |
die Dornen werden dich stechen, und dichtes Gestrüpp versperrt dir den Weg, -- aber geh du nur immer weiter! Erst wenn du an einen kleinen Bach kommst, dann darfst du Halt machen. Dort wirst du finden, was du brauchst. |
Doch vergiß ja nicht, deine Taschen damit zu füllen, wofür die Taschen gemacht sind..... |
Du verstehst mich, diese Ware lieben die Teufel nicht weniger als die Menschen! |
Nach diesen Worten zog sich der Wirt in seinen Verschlag zurück und wollte nichts weiter sagen. |
Mein Großvater seligen Angedenkens war ein Mann, der sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen ließ; wenn er einem Wolf begegnete, so packte er ihn stracks am Schwanze; und machte er mal mit seinen Fäusten einen Gang durch die Kosaken, so sanken sie zu Boden, wie Birnen, die man vom Baum schüttelt. |
Als er aber in der stockfinsteren Nacht in den Wald kam, da überlief's ihn denn doch kalt. |
Kein Sternchen stand am Himmel und es herrschte eine düstere Finsternis, wie in einem Weinkeller; nur ganz hoch oben über dem Kopfe, da hörte man den kalten Wind durch die Baumwipfel streichen, und die Bäume wackelten wie berauschte Kosakenköpfe und die Blätter flüsterten sich trunkene Reden zu. |
Auf einmal wehte eine solche Kälte daher, daß der Großvater an seinen Schafpelz denken mußte; und plötzlich fing's an zu hämmern, wie wenn hundert Hämmer herunterfielen, und es ging so ein Riesenlärm durch den Wald, daß es ihm fürchterlich im Kopfe dröhnte. |
Der ganze Wald wurde auf einen Augenblick ganz hell wie bei einem Wetterleuchten. |
Der Großvater erspähte sogleich den Pfad, der zwischen niedrigem Gebüsch dahinführte: da war auch der verkohlte Baumstamm und das Dornendickicht! |
Alles genau so, wie's ihm gesagt worden war. Nein, der Schankwirt hatte ihn nicht betrogen. |
Aber besonders heiter war es doch nicht, sich durch das dastehende Gestrüpp hindurcharbeiten zu müssen. Sein Lebtag hatte er noch nie gespürt, daß die verfluchten Äste und Dornen so schmerzhaft stechen können: fast bei jedem Schritte wollte er aufschreien. |
Nach und nach hatte er sich auf einen freien Platz hinausgewunden. Er gewahrte, daß die Bäume seltener wurden, und als er weiter zusah, da waren sie so dick, wie er's nicht einmal jenseits vom Königreich Polen gesehen hatte. |
Bald schimmerte auch das Bächlein zwischen den Bäumen auf: schwarz wie eine Damaszener Klinge. |
Lange stand der Großvater am Ufer und spähte nach allen Seiten aus. |
Am anderen Ufer brennt ein Feuer. Schon will es erlöschen, da fällt sein Wiederschein aufs neue ins Bächlein, das aufzuckt wie ein polnischer Schlachziz unter einer groben Kosakenfaust. |
Da ist auch eine winzige Brücke! » |
»Da drüber kann doch höchstens ein Teufelswägelchen fahren! |
dachte der Großvater, aber er betrat sie schnell, und schneller noch als mancher die Dose aus der Tasche holt, um eine Prise zu nehmen, war er am anderen Ufer. |
Jetzt erst nahm er wahr, daß Leute am Feuer saßen; aber die hatten solche garstige Fratzen, daß er zu andern Zeiten Gott weiß was drum gegeben hätte, ihrer Bekanntschaft entgehen zu dürfen. |
Jetzt aber war ihm nicht zu helfen: Er mußte schon mit ihnen anbändeln. Der Großvater verneigte sich tief bis zur Erde vor ihnen. »Grüß Gott, gute Leute! |
Aber auch nicht einer nickte mit dem Kopfe: sie saßen stumm da, schwiegen und streuten etwas ins Feuer. |
Da der Großvater fand, daß noch ein Platz frei war, so setzte er sich denn ohne weitere Umschweife. |
Die widerlichen Fratzen sprachen nichts, und auch der Großvater sagte nichts. |
Lange saßen sie schweigend so da, und der Großvater bekam die Sache schon satt; er griff in die Tasche, zog die Pfeife raus, blickte um sich -- aber keiner sah nach ihm hin. » |
»Wollten Euer Gnaden mit Verlaub die hohe Güte haben, sozusagen |
(Mein Großvater war ein vielerfahrener Mann, er verstand es, am rechten Fleck ein höfliches Wörtlein anzubringen; selbst vor dem Zaren hätte er, wenn's drauf ankam, in Ehren bestehen können.)..... »sozusagen, um weder von mir, noch von euch zu schweigen: ein Pfeifchen hab' ich wohl, aber wo soll ich Feuer herkriegen? |
Auch auf diese Rede erfolgte keine Antwort. Nur eine von den Mißgestalten ergriff ein brennendes Holzscheit und stieß es dem Großvater geradewegs gegen die Stirn, und wenn er nicht etwas zurückgefahren wäre, hätte er auf ewig von seinem einen Auge Abschied nehmen müssen. |
Als er endlich sah, daß die Zeit unnütz verrann, beschloß er -- ob's die unreine Brut nun anhören wollte oder nicht -- ihnen seine Sache zu erzählen. |
Jene spitzten die Ohren und streckten die Pfoten vor. |
Der Großvater begriff, was sie wollten; nahm sein ganzes Geld und warf es mitten vor sie hin, wie man Hunden etwas vorwirft. |
Kaum hatte er das Geld hingeschmissen, da schien alles vor ihm durcheinanderzugehen, die Erde erzitterte, und er geriet -- wie , das konnte er selbst nicht erzählen -- schier in die Hölle. » |
»Mein Gott! |
schrie der Großvater auf, als er sich wieder umsah. Was für Ungeheuer! |
Fratze neben Fratze! |
Da gab's Hexen in so ungeheuerer Menge, wie die Schneeflocken, die zuweilen auf Weihnachten fallen, und alle so aufgeputzt und angemalt, wie die Fräulein auf dem Jahrmarkt. |
Sie alle begannen, soviel ihrer da waren, einen teuflischen Hopser zu tanzen. |
Der Staub wirbelte in die Höhe, -- Gott bewahr, welch ein Staub! |
Einen ehrlich getauften Menschen hätte ein Zittern erfassen müssen, wenn er gesehen hätte, wie hoch diese Teufelsbrut sprang. |
Aber den Großvater überkam, trotz seiner Angst, ein Lachen, als er sah, wie die Teufel mit ihren Hundeschnauzen zierliche Schritte machten und mit wedelnden Schweifchen um die Hexen herumscharwenzelten, wie junge Burschen um die hübschen Mädchen; und die Musikanten paukten auf ihren eignen Backen herum wie auf Trommeln, und pfiffen durch die Nasen wie auf Flöten. |
Kaum aber hatten sie den Großvater erblickt, da stürzten sie sich wie ein ganzes Heer auf ihn: Schweinemäuler, Hundemäuler, Bocksmäuler, Gänsemäuler, Pferdemäuler -- sie alle reckten sich vor und wollten, kam's wie's kam, von ihm geküßt werden. |
Der Großvater mußte ausspucken, so ein Ekel überkam ihn! |
Endlich aber wurde er gepackt und an einen Tisch gesetzt, der vielleicht so lang war, wie der Weg von Konotop nach Baturin. » |
»Na, das ist wenigstens nicht übel,« dachte der Großvater, als er Schweinefleisch, Würste, Kohl mit Zwiebeln und noch viele andere Leckerbissen auf dem Tische stehen sah. »Das Satanspack hält wohl die Fasten nicht! |
Der Großvater ließ die Gelegenheit, einen guten Bissen zu nehmen, nie außer acht. |
Er hatte stets Appetit, und darum rückte er ohne viel Federlesens die Schüssel mit dem angeschnittenen Speck und einen Schinken zu sich heran, ergriff eine Gabel, die nicht viel kleiner war als die Gabeln, mit denen die Bauern Heu aufladen, spießte ein riesiges Stück Fleisch auf, nahm noch ein mächtiges Stück Brot dazu und schob es geradewegs in -- einen fremden Mund, der eben neben seinen Ohren aufgetaucht war, er hörte sogar noch, wie das Maul kaute und über den ganzen Tisch hin mit den Zähnen klapperte. |
Der Großvater muckste nicht, gabelte ein anderes Stück auf, und schon glaubte er es auf seinen Lippen zu spüren, aber da geriet es wieder in einen fremden Rachen. |
Er versuchte es ein drittes Mal -- und wieder traf er vorbei. Der Großvater raste vor Wut. |
Er vergaß all seine Angst und in wessen Händen er sich befand, und sprang auf die Hexen los: »Was, ihr Herodesbrut, ihr! |
wollt ihr euch vielleicht über mich lustig machen? |
Wenn ihr mir nicht auf der Stelle meine Kosakenmütze herausgebt, so will ich ein Römling sein, wenn ich euch nicht die Schweineschnauzen auf den Nacken drehe! |
Noch hatte er die letzten Worte nicht ausgesprochen, als alle Ungeheuer die Zähne zu fletschen begannen und ein solches Gelächter aufschlugen, daß dem Großvater die Seele zu Eis erstarrte. |
»Gut! |
winselte eine der Hexen, die der Großvater für das Oberhaupt der anderen hielt, denn ihr Lärvchen war vielleicht noch wundervoller als die Fratzen der anderen. »Die Mütze wollen wir dir geben, aber nicht eher, als bis du dreimal mit uns Schafskopf gespielt hast. |
Was war da zu machen? |
Soll etwa ein Kosak mit Weibern zusammen sitzen und Schafskopf spielen? |
Der Großvater weigerte und weigerte sich immer wieder. Endlich aber ließ er sich doch dazu herbei. |
Man brachte Karten, und zwar so schmierige wie die, aus denen sich bei uns die Popentöchter wahrsagen, wenn sie wissen wollen, was für Bräutigams sie bekommen werden. |
»Hör'! |
bellte die Hexe wieder los, »wenn du auch nur ein einziges Mal gewinnst, so ist die Mütze dein. Wenn du aber alle dreimal Schafskopf bleibst, so nimm's mir nicht übel, dann wirst du nicht bloß deine Mütze, sondern vielleicht auch die Welt nie mehr wiedersehen!« »Gib her, alte Vettel! |
Komme, was kommen mag! |
Die Karten wurden verteilt und der Großvater nahm die seinen in die Hände. |
Nicht hinblicken mochte er auf den Schund! wenn auch bloß zum Scherz nur ein einziger Trumpf darunter gewesen wäre! |
Bei einer Farbe war die Zehn schon der höchste Stich, und nicht einmal ein Paar hatte er; die Hexe aber spielte immer Fünfer aus. |
So blieb er denn Schafskopf! |
Kaum war der Großvater Schafskopf geworden, so begannen die Mäuler von allen Seiten zu wiehern, zu bellen und zu grunzen: »Schafskopf, Schafskopf, Schafskopf! |
»Mögt ihr doch platzen, ihr Satansbrut! |
schrie der Großvater und stopfte sich mit dem Finger die Ohren zu. » |
»Na,« denkt er, »die Hexe hat wohl falsch gemischt! Jetzt werde ich mal mischen! |
Er gab also die Karten, sagte Trumpf an und blickte in die Karten: waren das großartige Karten, auch Trümpfe waren dabei! |
Zuerst ging die Sache, wie's nicht besser gehen konnte; aber die Hexe hatte eine Fünf und alle Könige! |
Der Großvater jedoch hatte lauter Trümpfe in Händen! Ohne da groß zu überlegen, deckte er, bumms, alle Könige mit Trümpfen! |
»Oho, das ist nicht Kosakenart! |
Womit deckst du denn da, Nachbar? |
»Was da -- womit? |
Mit Trümpfen natürlich! |
»Das sind vielleicht bei euch Trümpfe, bei uns aber nicht! |
Sieh mal an -- es war in der Tat nur eine einfache Farbe. |
So eine hundsföttische Zauberei! Er mußte zum zweitenmal Schafskopf werden, und das Teufelspack brüllte von neuem: »Schafskopf, Schafskopf! |
so daß der Tisch wackelte und die Karten auf dem Tische herumhüpften. |
Der Großvater geriet in Hitze; er gab zum letzten Male Karten. |
Wieder ging es schlecht und recht. |
Die Hexe spielte wieder eine Fünf aus; der Großvater deckte sie und kaufte eine ganze Hand voll Trümpfe. |
»Trumpf! |
schrie er und schlug mit der Karte so mächtig auf den Tisch, daß sie sich krumm bog. Jene deckte, ohne ein Wort zu sagen, mit einer Acht. » |
»Und womit stichst du, alter Teufel? |
Die Hexe hob die Karte auf, unter der eine einfache Sechs lag. » |
»Ach verdammtes Satansgeflunker! |
rief der Großvater und schlug vor Ärger aus aller Leibeskraft mit der Faust auf den Tisch. |
Ein wahres Glück, daß die Hexe schlechte Karten hatte; der Großvater hatte wie zu Fleiß lauter Paare in seiner Hand. |
Er begann zu kaufen, aber er war schon mit seiner Kraft zu Ende: er bekam so schlechte Karten, daß er die Hände sinken ließ. |
Es gab keine Karten mehr zu kaufen und nun ging er schon, ohne viel hineinzublicken, mit einer einfachen Sechs los. |
Die Hexe nahm sie auf. »Da hast du die Bescherung! |
Was sollte das bedeuten? |
Oho, da stimmt sicher etwas nicht! |
Der Großvater nahm also heimlich die Karten unter den Tisch und schlug ein Kreuz über sie; und auf einmal hatte er Trumpf-Aß, Trumpf-König und Trumpf-Bube in Händen, und statt seiner Sechs hatte er Dame gespielt. » |
»Ein schöner Narr bin ich gewesen,« dachte er sich. -- » |
»Trumpf-König! |
Was? |
Hast du das? |
Du Katzenbrut! |
Willst du vielleicht ein Aß? |
Ein Aß! |
einen Buben!..... |
Ein donnerndes Dröhnen rollte durch die ganze Hölle; die Hexe verfiel in Krämpfe, und auf einmal flog dem Großvater -- patsch! -- die Mütze ins Gesicht. » |
»Nein, das ist zu wenig! |
schrie der Großvater schon viel dreister, als er erst seine Mütze aufgesetzt hatte. » |
»Wenn nicht mein braves Pferd auf der Stelle vor mir erscheint, so soll mich an diesem unreinen Ort gleich der Donner treffen, oder ich schlage wahrhaftig das heilige Kreuz über euch alle! |
Und schon erhob er die Hand, als er auf einmal Pferdeknochen vor sich klappern hörte. |
»Da hast du dein Pferd! |
Der Ärmste brach bei diesem Anblick in Tränen aus, wie ein törichtes Kind. |
Schade um den alten Freund! » |
»Gebt mir nur irgend ein Pferd, damit ich aus eurem Nest herauskomme! |
Der Teufel knallte mit seiner Hetzpeitsche, -- ein Pferd sauste wie ein Feuer unter dem Großvater herauf, und er flog wie ein Vogel in die Höhe. |
Aber mitten im wilden Ritt ergriff ihn eine mächtige Angst, als das Pferd ohne auf seine Rufe oder auf die Zügel zu achten, über Gräben und Sümpfe dahinjagte. |
An was für Orten war er damals nicht überall gewesen! schon beim bloßen Erzählen überkam ihn ein Zittern. |
Er blickte vor sich hinab und erschrak: vor ihm lag ein Abgrund, eine furchtbare Schlucht! |
Doch das Satansvieh machte sich nichts daraus und setzt einfach drüber weg! |
Der Großvater wollte sich festhalten, aber es gelang ihm nicht. |
Hals über Kopf, durch Gestrüpp und über Felsen flog er hinab in den Schlund und prallte tief unten am Grunde so gewaltig auf, daß ihm der Atem verging. |
Wenigstens konnte er sich später auf nichts mehr besinnen, was damals mit ihm vorgegangen war; und als er wieder zu sich kam und sich umsah, da war es schon ganz hell geworden. Vor ihm schimmerte eine wohlbekannte Gegend, und er lag auf dem Dache seines eigenen Hauses. |
Als der Großvater heruntergeklettert war, schlug er ein Kreuz. » |
»Teufelszeug! |
Was zum Henker einem Menschen nicht für Wunderdinge widerfahren können! |
Er sah seine Hände an. Sie waren voll Blut; er sah in das vor ihm stehende Wasserfaß -- auch sein Gesicht war voller Blut. |
Er wusch sich gründlich, um die Kinder nicht zu erschrecken, trat leisen Schrittes in die Stube, und was sieht er da? Die Kinder gehen rücklings auf ihn zu, strecken die Finger aus und sagen: »Sieh doch, sieh -- die Mutter springt herum wie verrückt! |
Und wahrhaftig: sein Weib sitzt eingeschlafen vorm Spinnrocken, hält die Spindel in der Hand und hüpft im Schlaf auf der Bank hoch und nieder. |
Der Großvater nahm sie sanft bei der Hand und weckte sie. »Grüß Gott, Frau, bist du auch ganz wohl? |
Jene starrte ihn lange an. |
Endlich erkannte sie den Großvater und erzählte, sie habe geträumt, der Ofen sei in der Stube herumgefahren, habe mit der Schaufel alle Töpfe und Schüsseln hinausgejagt.... und der Teufel weiß, was noch alles! » |
»Na ja,« sagte der Großvater, »dein Traum war meine Wirklichkeit, ich sehe schon, man muß unser Haus mit Weihwasser besprengen -- aber jetzt darf ich keine Zeit mehr verlieren. |
So sprach der Großvater, und als er sich etwas ausgeruht hatte, holte er das Pferd und machte nicht eher Halt, weder bei Tag noch bei Nacht, als bis er sein Ziel erreicht und der Zarin selbst den Brief übergeben hatte. |
Da bekam der Großvater solche Wunderdinge zu sehen, daß er noch lange nachher davon erzählen konnte: wie er in ein Schloß geführt wurde, welches so hoch war, daß man zehn Häuser hätte übereinander bauen können, und es hätte noch nicht gereicht; wie er in ein Gemach hineinblickte -- die Zarin war nicht drin, -- dann in ein zweites -- auch da war sie nicht, in ein drittes -- auch da nicht, -- in ein viertes -- sie war immer noch nicht da. |
Erst im fünften Zimmer saß sie selbst, mit einer goldenen Krone auf dem Haupte, in einem grauen, funkelnagelneuen Kittel und mit roten Stiefelchen, und aß goldene Knödel. |
Sie ließ ihm die ganze Mütze mit blauen Scheinen vollstopfen, und ihm..... |
aber man kann sich doch nicht an alles erinnern! Der Großvater hatte sogar die Plackerei mit den Teufeln ganz vergessen, und wenn es geschah, daß ihn jemand daran erinnerte, so schwieg er, als ginge ihn das nichts an, und es kostete gar viele Mühe, ihn so weit zu bringen, daß er's erzählte. |
Aber wohl zur Strafe dafür, daß er damals das Haus nicht sofort mit Weihwasser besprengt hatte, widerfuhr der Frau jedes Jahr, und zwar immer um dieselbe Zeit, das Wunder, daß sie immerzu tanzen wollte. |
Was sie auch beginnen mochte, die Beine taten das ihrige und zwangen sie förmlich, ein Tänzchen aufzuführen. |